Jeder Stein Geschichte

Vorab gleich die gute Nachricht: nach Wochen bekommen wir Arttus Haut endlich in den Griff! Einem Baby, dass sich ständig kratzt, auf den Wangen warme fett-feuchte Verbände anzulegen, hätte aber sicher sogar Sisyphus zur Weißglut gebracht. Ganz besonders, wenn diese auf der Serpentinenfahrt ins antike Delphí auch an ihrem Ort bleiben sollen. Aber sowohl die Verbandsschinderei, als auch der schweißtreibende Besuch Delphís waren die Mühe wert. Der Urlaub kann weiter gehen.

„Wanderer kommst du nach Sparta…“

Die Anfahrt von Metéora nach Delphí ist nicht der Rede wert. Allerdings kann man, mit einem minimalen Umweg von wenigen Kilometern Fahrt, seinen Fuß noch auf wahnsinnig historischen Boden setzen. Zunächst halten wir an der Stelle, die dem Ort ihren Namen gab. Die Thermalquellen enthalten Schwefel und stinken übel nach faulen Eiern. Dennoch sind sie sehr gesundheitsfördernd; nur leider nicht für Babys und Stillende zu empfehlen. Die zur Quelle gehörende alte Hotelanlage ist momentan Flüchtlingsunterkunft und wohl dafür verantwortlich, dass wir die einzigen Touristen hier sind. Einen Wimpernschlag auf der Landstraße entfernt ändert sich das prompt. Rein optisch ist der Ort der legendären Schlacht an den Thermopylen, abgesehen vom Denkmal, wenig sehenswert. Wenn man sich die Zeit nimmt um seine Bedeutung für die Griechen selbst und die Kunst-/Kulturgeschichte der Welt zu erfahren, wird es allerdings zu mehr als „Ich kann sagen, dass ich dort war.“ Am Leonidasdenkmal selbst steht, strategisch günstig, ein fliegender Obsthändler. Das Wasser im Munde lässt mich trotz Touristenpreis zwei Pfirsiche für 0,50€ kaufen und Susi drei Aprikosen für noch einmal den gleichen Betrag. Am Denkmal wetteifern wir mit den restlichen Touristen im Fotografieren. Auf der anderen Straßenseite geht es dagegen ruhiger zu. Auf den flachen Kolonos-Hügel bequemt sich niemand weiter. Scheinbar sind mehr als 40 Meter Entfernung vom Reisebus zu viel Fußmarsch. An diese Stelle zogen sich nach drei Tagen Kampf die Verbliebenen der 300 heroischen Spartaner zurück, um bis zum letzten Mann den Rückzug der restlichen griechischen Truppen gegen die angreifenden Perser zu decken. Auf einer schlichten, sprichwörtlich spartanischen Steinplatte stehen auf Griechisch die Worte des antiken Dichters Simonides: „Wanderer, kommst do nach Sparta, verkünde dorten, du habest uns hier liegen gesehen, wie das Gesetz es befahl…“ (deutsche Fassung von Schiller). Für mich ist hier die eigentliche Gedenkstätte.
Das benachbarte „Historical Information Center“ kann man dagegen nur dem empfehlen der tatsächlich ausschließlich Informationen sucht. Ausstellungsstücke gibt es keine, aber für 3 € Eintritt einen Informationsfilm, einen Werbefilm und vier Multifunktionsbildschirme mit Wissenswertem zur Geschichte. Allerdings erhalten wir, dank Baby als „Türöffner“, an der Kasse den guten Tipp für heiße Thermalquellen in 20 Minuten Entfernung bei Kaména Voúrla. Das Schwefelwasser ist wohl auch für Babys geeignet. Trotz geringerem Schwefelgehalt trauen wir uns das aber nicht. Lediglich ich nehme ein Bad und stinke hinterher wie ein Hund. Nach einer Nacht an einem recht vermüllten Strand mit vielen Fliegen trennen uns nur noch wenige Kilometer vom antiken Orakel.

Die Heiligtümer Delphís

Obwohl das antike Delphí malerisch am oberen Hang eines großen Berges liegt, ist es schon jetzt in der Vorsaison ein wahrer Glutofen. Damit Arttu unter unserer Sensationsgier nicht leiden muss wechseln wir uns diesmal beim Sightseeing ab. Zuerst hüte ich das Kind im Schatten während Susi das Apollon-Heiligtum besichtigt und im Anschluss tauschen wir. Das verdoppelt zwar die Besuchszeit, aber nimmt einem beim Rundgang jeglichen Druck des kleinen Quenglers. Delphí besteht aus fünf Sehenswürdigkeiten, die allesamt in angenehmer Laufentfernung voneinander am Hang eines Berges verteilt sind. Die Kastalische Quelle zur rituellen Reinigung ist wegen Steinschlaggefahr warscheinlich noch länger nicht zu besichtigen. Ebenfalls geschlossen ist das Gymnasium (keine Schule, sondern ein Trainingsgelände), aber es kann von oben herab trotzdem betrachtet werden. Am größten und zeitaufwendigsten sind das Apollon-Heiligtum (inklusive Theater und Stadion) und das anschließende Museum mit Funden aus bzw. um Delphí. Einen schönen Abschluss des Rundgangs bildet dann das kleinere, aber mindestens genauso hübsche Heiligtum der Athéna.

Aus irgendeinem Grund hatten wir ursprünglich angenommen, dass Delphí ebenerdig errichtet ist. Umso eindrucksvoller ist es nun, die vielen Ruinenfelder über dem Tal thronen zu sehen. Die wenigen stehenden Säulen ragen erhaben in den Himmel auf. Von der ehemaligen Prachtstraße auf dem Weg zum eigentlichen Heiligtum, dem Apollon-Tempel, ist nicht mehr viel zu sehen. Die prunkvollen Schatzhäuser der einzelnen griechischen Stadtstaaten sind gerade bis auf die Grundmauern erhalten. Lediglich das Athener Schatzhaus wurde wieder aufgebaut. Gleich nach diesem ist ein kleiner Felsen, von dem die Sybille damals ihre Weissagungen verkündet haben soll. Über dieser Szenerie sieht man bereits die imposanten Reste des Apollon Tempels aufragen, ziemlich dicht gefolgt vom 5000 Personen fassenden gut erhaltenen Theater. Hektisch wird es immer, sobald eine riesige, meist englisch sprachige Reisegruppe an einem vorbei zieht. Lässt man diese passieren, kann man auch in Ruhe das Ausgrabungsgelände genießen und schafft es sogar das ein oder andere menschenleere Foto zu schießen. Vorsaison sei Dank : -) Die Hitze am Hang ist dennoch schon jetzt im Mai so groß, dass ich das weiter oben liegende Stadion für 7000 Personen im Hochsommer wohl weglassen würde.

Die Mittagshitze verbringen Susi, Arttu und ich im anschließenden Museum Delphís. Diesmal habe ich Arttu in der Trage. Am liebsten würde er alles anfassen, was es zu sehen gibt und versucht sich dazu mit seinen kleinen Stampfern hochzustemmen. Obwohl das nicht gelingt, ist er gut gelaunt genug, dass ich in Ruhe die reichen Goldfunde, Kupferwaffen, Skulpturen und Alltagsgegenstände betrachten kann, die es hier so auszugraben gab. Lediglich zum Lesen von Schildern reicht Babys Geduld heut nicht. Susi erzählt mir aber freundlicher Weise das Wichtigste. Fast am besten hat mir jedoch das Athéna Heiligtum gefallen. Frankreich hatte hier drei Säulen wieder aufstellen lassen und verlieh dem Ort somit das Postkartenmotiv Delphís. Susi ist allerdings eher für noch ältere Zeiten zu begeistern und erfreut sich besonders an den alten Schriften und Scherben des heutigen Besichtigungstages. Im Anschluss brechen wir direkt zum Peloponnes auf, auf dessen Anfahrt es aber etwas schwierig mit Campingplätzen oder freien Übernachtungsmöglichkeiten wird. Dafür erwarten uns bald saubere, verlassene Sandstrände, ein fast kompletter, großer Tempel, der Austragungsort der antiken Olympischen Spiele und malerische verlassene Siedlungen auf der Halbinsel Máni.

Bis bald und liebe Grüße ins nun hoffentlich wärmere Deutschland.

Tipps zum Delphíbesuch: genügend Wasser dabei haben oder den Wasserspender nahe des Theaters nutzen, Kombiticket für Museum und Apollon-Heiligtum 12 €, zeitiges Kommen (ca. 09:00 Uhr) sichert einen raren Parkplatz, die wenigsten Personen waren jedoch wieder ab der Mittagszeit im Gelände unterwegs, kostenfreies schönes Athéna-Heiligtum auf der Straße nach Athen folgend nicht vergessen, freies WLAN am Museum, Schatten fürs Kind ist fast nur am Anfang des Apollon-Heiligtums

zurück zum Reiseblog

4 Gedanken zu „Jeder Stein Geschichte“

  1. Mit Spannung verfolgen wir Eure Reiseberichte und natürlich die Gesundheit von Arttu. Endlich scheint es mit seiner Haut etwas besser zu werden.
    Es ist alles sehr interessant, die Fotos faszinierend. Ihr macht das ganz toll.
    Liebe Grüße von Uwe und Bine:)

    1. Wir waren ab Delphi auch sehr erleichtert, dass die Haut in den Griff zu kriegen war. Im Prinzip war die Rückfahrt da ja schon beschlossene Sache. Zum Glück kam es anders und wir konnten noch Einiges erleben.
      Wir freuen uns jetzt aber auch schon wieder ein bisschen auf Deutschland.
      Liebe Grüße & bis dahin.

  2. „Scheinbar sind mehr als 40 Meter Entfernung vom Reisebus zu viel Fußmarsch.“

    Ich lach mich kaputt :-))

    Ja ja, diese Touristen.

    1. In diesem Fall war es gut für uns. In anderen kann ich nur die Vorsaison empfehlen. 25 bis 30 °C sind da auch bereits, die Sonne lacht und Touris sind deutlich weniger da. Einziges Manko ist die Wassertemperatur, die erfahrene Ostsseurlauber allerdings nicht abschreckt :p

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert