Goldenes Österreich

Sie gehört zu den meist besuchten Städten Europas. Ob ein derartiger Menschenauflauf etwas für uns ist, bezweifeln wir etwas, aber wir werden der Bundeshauptstadt Wien eine faire Chance geben. Nach dem ersten sehr entspannten Abend im Schlosspark von Schönbrunn soll es heut an Tag zwei mittenrein in die Großstadt gehen. Beim Bummel durchs Zentrum stolpern wir über den Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek. Wow!

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Die Etappe durch Österreich und Teile Deutschlands

Prunkvolle Residenzstadt Wien

Zunächst assoziiere ich Bibliotheken ein Stück weit mit Langeweile. Schon gar nicht will ich dafür auch noch Eintritt bezahlen, wenn ich da nicht zum Lesen hingehe. Susi möchte unseren Zufallsfund allerdings gern besichtigen und überzeugt auch mich. Völlig zu Recht. Vor lauter barockem Prunk kippt mir erst einmal die Kinnlade herunter. Edles dunkles Holz dominiert die, von Rundbögen gestützte, Halle. Deren Kuppel ist über und über mit feinsten Malereien Daniel Grans überzogen. Zwischen polierten Steinwänden und alten Büchern mit dunklem Einband blinken Goldarbeiten an Säulenkapitellen, Bücherregalen und Verzierungen aller Art. Malereien, Architektur, Holzarbeiten, Lichteinfall und Gold erschaffen ein perfekt ineinander greifendes Gesamtkunstwerk. Mit dem Kopf im Nacken vergehen über 60 Minuten beim Vortrag des Audioguides wie im Flug.

Hinterher ist eine Stärkung gefragt. An der Besucherkasse bekommen wir in Sachen Sachertorte das Café Engländer ans Herz gelegt. Die reichhaltige Schokotorte schmeckt ausgezeichnet. Warum sie aber derart in den Himmel gelobt wird, verstehen wir nicht ganz. Ob das daran liegt, dass es nicht DAS Original aus dem Hotel Sacher war, wissen wir nicht, bezweifeln es aber etwas. Unterwegs fallen uns noch einige stählerne Trinkwassersäulen des Projektes „Trink Wasser!“ der Wiener Wasserwerke auf. Aus über 900 Brunnen sprudelt das kühle Nass kostenfrei für jeden. Eine faire, praktische Sache, auch in Hinblick auf Plastikmüllvermeidung.

Gut gestärkt und mit einem Stapel Bücher einer Mängelexemplar-Buchhandlung beschwert, wollen wir es jetzt nicht versäumen, doch noch die Innenansicht des Habsburgerreichtums in Schönbrunn zu erfahren. Die große Tour kostet für zwei Erwachsene 32,80 €. Das empfinde ich zwar als nicht ganz fair, aber man scheint sich die Preise bei diesem Touristenansturm leisten zu können. Die Menschen kommen trotzdem. Auf jeden Fall sollte man sich die Toilettengebühr im Kassenhaus verdrücken. Das ist gar zu frech. Nachdem ich es dann irgendwann geschafft habe, das nächste Ärgernis, ein absolutes Film-/Fotoverbot herunter zu schlucken, kann ich den Audioguide-Rundgang genießen. Etwas schmunzeln muss ich zu Anfang der Tour, als mir das Tonband erzählt, dass Kaiser Franz Joseph in Anbetracht seines Schlafzimmers ein sparsamer Mann war. Verglichen mit den noch folgenden Prunkräumen müsste ich dem allerdings sogar zustimmen.

Vorbei an einer älteren, todesmutigen Japanerin, die mit dem Handy ein Selfie macht, laufen wir in die nächsten der insgesamt 40 zu besichtigen Räume. Die Asiatin ohne Rechtsbewusstsein wird selbstverständlich sofort vom Museumspersonal entfernt. Man merkt sehr deutlich, dass diese Ösies irgendwie zum deutschen gesetzestreuen Kulturkreis gehören.
Es schließen sich weitere Gemächer von Kaiserin Elisabeth Amalie Eugenie, kurzgesagt Sissi, und ihrem Gatten Kaiser Franz an. Außerdem folgen der Rokoko Festsaal mit Weiß-Gold-Stuckdekoration, Räume mit Nussholzvertäfelungen, chinesischer Papiertapete, einem exquisiten Gobelin-Wandteppisch, ein samtenes Prunkbett mit Goldstickerei, Palisanderholzvertäfelungen, Gemälde über Gemälde und alles eingefasst in Verzierungen aus Gold. Das gesamte Ensemble beeindruckt uns sehr. Diesen Reichtum eines bedeutenden europäischen Herrscherhauses muss man wirklich einmal im Leben gesehen haben. Was für ein Gefühl muss das gewesen sein in einer so schönen Umgebung zu wohnen? Schade ist es dennoch, dass es einzelne Familien schafften bzw. auch heutzutage noch schaffen, derartigen Überfluss anzuhäufen, so hübsch das auch anzusehen ist.

Obwohl Arttu bei beiden Tagesbesichtigungen gut mitgespielt hat, beenden wir das Wienprogramm an dieser Stelle. Das Gesehene hat in seinem Glanz schwer beeindruckt und gibt uns eine gute repräsentative Kostprobe der alten Stadt der Habsburger. Bei etwas Schafskäsefladenbrot mit Falaffel pflanzen wir uns zwischen die vereinzelten Entspannungssuchenden auf der Wiese des Heldenplatzes vor der Hofburg, um den Tag entspannt ausklingen zu lassen. Mr. Baby ist auch mal wieder hellauf begeistert vom Gras; so sehr, dass er keine weitere Animation braucht, um mit Halmen und einem Tuch die vergnügtesten Spiele zu veranstalten. Neben einer Stunde vor der Nachtruhe, wenn er schon schläft, sind solche Momente die wertvollsten Minuten des Tages für uns. Es ist Zeit, um in Ruhe über das Gesehene zu sprechen, neue Pläne zu schmieden und die eigenen Batterien wieder etwas aufzuladen. Da wir ansonsten im T4 auf engstem Raum zu dritt leben und der kleine Mann auch problemlos zwei Erwachsene gleichzeitig auf Trapp halten kann, wünschten wir das eine oder andere Mal die Großeltern schon sehnlichst herbei, dass sie ihn uns auch nur für eine Stunde abnehmen könnten. Zumindest an Tagen, zu denen er nicht gut drauf ist, muss man sich sehr oft selbst daran erinnern, dass der kleine Knopf die Dinge nicht absichtlich macht. Zumindest noch nicht. Mit Schlafmangel diesen Ärger herunter zu schlucken ist nicht immer einfach, mit der Ablenkung einer Reise für mich allerdings einfacher als daheim. Davon abgesehen gibt es auch Dutzende Momente an denen der kleine Wurm unser Leben bereichert und die Laune hebt. Zudem ist ein lachendes Baby der beste Türöffner bei Gesprächen mit Menschen in halb Europa gewesen. Ohne ihn wäre diese Reise eine völlig andere geworden bzw. gar nicht erst in dieser Länge möglich gewesen.
Im Sonnenuntergang schlendern wir jetzt völlig tiefenentspannt durch den benachbarten Park Richtung Bus zum Campingplatz. Auch hier entspannen viele im Gras. Zum Glück nimmt es die Jugend mit den Verbotsschildern zum Betreten des Rasens nicht so ernst. Was nützen einem auch tolle Parks wenn man sie zu nichts außer zum Durchlaufen gebrauchen kann?

Goldfieber

Nach zwei Nächten verlassen wir die Österreichische Hauptstadt wieder. Da wir uns keinem Stress ausgesetzt haben, die Temperaturen vergleichsweise in Ordnung waren (hier max. 32°C vs. 42°C in GR), viel entspannen konnten und im Rhythmus des Kindes unterwegs waren, haben wir den Besuch kein bisschen bereut und in dieser kurzen Zeit von drei Tagen die Menschenmassen nur sehr selten als störend empfunden. Dennoch haben sich die ersten Erreger einer Krankheit festgesetzt, die die Menschen aller Jahrhunderte schon oft befallen haben. Von der Gier nach Gold sind wir zwar nicht getrieben, aber zumindest wollen wir seine Gewinnung auf jeden Fall einmal ausprobieren, nachdem es in Wien einen derartigen Reichtum zu sehen gab.

Die Goldgemeinde schlechthin in Österreich ist Rauris. Bereits zu Zeiten des Römischen Imperiums wurde hier Gold gewonnen. In späteren Zeiten brachten hunderte Bergknappen der Region zehn Prozent der Welt-Jahresfördermenge zu Tage. Besonders spannend zu wissen: Bis heute gibt es dort Gold! Wir sind baff, dass es immer noch möglich ist, in Europa Gold zu finden. Das muss ausprobiert werden! Vor Ort erklärt uns ein, wie wir im Bulli Reisender, dass es Dutzende Ecken in Europa gibt, wo Gold gewaschen werden kann; zum Beispiel in Finnland, Schweden, Norwegen oder sogar in Teilen Deutschlands wie der Elbe im Elbsandsteingebirge, im Harz und und und. Nicht schlecht. Gleich danach laden uns zwei österreichische Wohnmobilcamper zum Abendbrot ein. Sie sind anlässlich des alljährlichen Kampfes der Hengste zum Wettstreit um den Leithengst zum Almauftrieb hier – ein riesen Spektakel mit hunderten Besuchern.
Tags darauf sind die begeisterten Pachers die ersten in Gummistiefeln, die mit Schaufel und Waschpfanne am originalen Goldwaschplatz in der Rauriser Ache auf Glückssuche gehen. Vom Waschplatzpächter Theo Huber gibt’s zuvor das nötige geistige Rüstzeug:

1. Die goldführende Stelle im Gewässer finden (Fließgeschwindigkeit, Innenkurve, usw.)

2. Kies in die Waschschüssel schaufeln und unter Wasser schütteln, damit das Gold am Grund ist

3. 95% des Gesteins der Schüssel auswaschen (Schüssel 45° im Wasser)

4. Rest in der Schüssel mit Wasser kreisend schwenken, sodass Gold einzeln liegen bleibt

5. Mit trockenem Finger Goldflitterchen ins Röhrchen mit Wasser geben

Das allerwichtigste dabei: „Kein Omlette machen!“, sagt Theo. Was bedeutet beim Suchen im Goldsand (Punkt 4) das Wasser-Sand-Goldgemisch nicht grobmotorisch über den gesamten Pfannenboden zu verteilen.

Mit viel Ausdauer findet sich in jeder Waschladung mindestens ein kleines Stückchen Edelmetall. Nach insgesamt sechs Stunden Waschen (ich vier/Susi leider nur zwei, da Baby keine Lust auf Gold hat) kommt damit allerdings bei weitem noch kein Gramm Gold zusammen. Eine tolle Sache ist es dennoch, sein eigenes Gold in den Händen zu halten. Obendrein ist der ganze Waschvorgang zwischen der Kulisse umliegender Dreitausender, mit dem wilden Rauschen der Rauriser Ache sehr entspannend. Nur zwei Minuten braucht man zum Schaufeln und Vorwaschen. Problemlos 20 Minuten oder mehr kann man suchend, im Schatten sitzend, mit einer Schüssel Goldsand verbringen. Platzregen beendet schließlich die Mühen aller anwesenden Glücksritter. Den restlichen Tag bringen wir dann gleich wieder auf dem Asphalt zu. Susi hatte die Idee einen kleinen Umweg über eine der größten Steuersünden Deutschlands zu fahren und ich finde die Idee auch noch gut. Nahe Füssen schlafen wir deshalb auf einem idyllischen Landstraßenrastplatz um am nächsten Morgen gleich mal freigiebig sechs Euro Parkplatzgebühr am Fuße von Schloss Neuschwanenstein zu bezahlen. Da wir sowas aber im Gegensatz zu Griechenland gewöhnt sind, kocht in mir der Ärger erst etwas später hoch: Nach fünf Minuten Fußmarsch am Berg begegnet uns ein Schild mit der Aufschrift „Keine Tickets am Schloss“. Am Ticketcenter im Tal angekommen, warten auf mich zirka 200 Menschen vor der Kasse. Nach denen steht eine Tafel mit der Auskunft „Nächster Einlass ins Schloss 13:00 Uhr“ – es ist noch nicht einmal 11:00 Uhr. Hinter diesem Schild warten dann nochmal 200 Menschen. Ein Schloss ohne Geschichte, das ein abgehobener Herrscher, ohne Bezug zu seinem Volk aus deren Steuern gebaut hat, ist uns das Warten dann nicht wert; sofern es heute ohne Ticketvorbestellung überhaupt noch Einlass für uns gibt. Da kann Neuschwanenstein auch noch so märchenhaft sein, das ist uns zu nervig.

Lieber sehen wir unserer Erholung entgegen und freuen uns bereits auf den Besuch einiger Freunde auf der Route gen Norden durch Deutschland. Zu allererst treffen wir uns in München auf einen netten Plausch. Danach besuchen wir in Thüringen die Domäne Schaumburg. Das renovierte Rittergut liegt direkt unterhalb der Schaumburgruinen und trifft mit Fachwerk und Rittersaal genau unseren Geschmack. Auf der Fahrt nach Sachsen zu meinen Eltern, hält Susi noch an der Gedenkstätte zum Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar inne. Da ich es vor einigen Jahren bereits eingehend angeschaut habe, hüte ich das kleine freundliche Baby am Auto. Indes gehen mir wieder die Gedanken von damals durch den Kopf. Das KZ ist ein Ort, der einen noch lang nach dem Besuch nachdenklich stimmt. Gerade bei dem aktuellen Hass, der auf Europas Straßen wieder aus beiden extremen politischen Lagern aufflammt, kommt mir der Film „Die Welle“ in den Sinn. Hoffentlich wiederholt sich die Geschichte in diesem Punkt ausnahmsweise einmal nicht.

Nun ist lediglich noch ein Ausrüstungstausch bei uns daheim nötig, ein Friseurbesuch, Sachen waschen, Verpflegung nachkaufen, Auto aufräumen und einige kleine Reparaturen mit Räderwechsel am unverwüstlichen Bulli Balu bei den Edelschrottschraubern in Chemnitz machen lassen. Danach bekommen die leicht strapazierten, elterlichen Nervenzellen sehr viel Entspannung bei Eltern bzw. Schwiegereltern, während diese sich ihre lang ersehnte Dosis Enkelkind abholen können. Sogar für einen Spontanbesuch der Felsenburg Regenstein mit angeschlossener preußischer Festungsanlage im Harz ist noch Zeit.

Zum Schluss möchte ich noch ein kleines Update zu Arttu geben: Seine Haut ist nun am gesamten Körper makellos. Die Neurodermitis verschwindet fast vollständig und der Ausschlag von Pampers Wegwerfwindeln im Windelbereich ist ebenfalls weg. Die furchbaren Einwegsauger brauchen wir zum Glück nicht mehr nehmen seitdem wir wieder in Deutschland sind und wieder mit Stoffwindeln wickeln können. Motorisch geht es im Moment auch richtig ab. Innerhalb der letzten vier Wochen hat der Kleine sitzen gelernt, krabbelt grenzenlos weit, zieht sich an allem bis in den Stand nach oben was greifbar ist und schafft es Apfelstücke und andere feste Nahrung ohne Hilfe selbst zu essen. Die Sauerei dabei ist aber noch unbeschreiblich XD

Als nächsten freuen wir uns darauf über die Erfahrungen vom Wandern, Zelten und Angeln aus Skandinaviens wilder Natur mit Kind berichten zu können und wünschen bis dahin eine angenehme Zeit.

Viele liebe Grüße,

Susi, Arttu & Hagen

Tipps zum Wienbesuch: ca. 900 stählerne Brunnen sorgen für Trinkwasser und Abkühlung durch Berieselung – Standorte der Brunnen (links unter „Karteninhalt“ dann „Gesundheit & Soziales“ ausklappen und dort „Trinkbrunnen“ markieren)

Tipps zum Schönbrunnbesuch: die Toilette im UG des Kassenhauses kostet Gebühr (lieber die kostenfreie links im Eingangsbereich zum Schloss benutzen), der Preisaufschlag für die „Grandtour“ lohnt sich (16,40 € vs. 13,30 € für die „Imperial Tour“), vom Hügel hinter dem Neptunbrunnen im Park hat man einen tollen Ausblick aufs Schloss und Wien bei Sonnenuntergang – der Rasen darf nicht betreten werden, aber ist top in Schuss und herrlich weich 😉

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2 Gedanken zu „Goldenes Österreich“

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