Gastfreundschaft von Weltrang

So freundlich empfangen wurden wir in noch keinem Land! Alles beginnt mit unserer Frage, ob es in Ordnung ist, an diesem Strand Zeit zu verbringen. Der freundliche, braun gebrannte Grieche mit Wohnwagen Grill, Hündin Lisa, Sonnenschirm und Campingstühlen bejaht das mit einem Lächeln und antwortet auf unsere englische Frage sogar in Deutsch. Was für uns in den nächsten Tagen folgt ist ein erstklassischer Lehrgang in „Wie ernähre ich mich aus dem Meer“ in Verbindung mit feinster griechischer Küche.

Doch zunächst möchte ich die Tage davor umreißen. Regen und Campingplatz liegen endlich hinter uns, nachdem wir bei angenehmen 22°C durch die Berge der Halbinsel Chalkidiki gefahren sind. Unser Ziel ist das Ausgrabungsgelände des antiken Olinthos. Die Stadt war bis zu ihrer Zerstörung durch den Makedonen Phillip II. (Vater Alexander des Großen) ein wichtiger Machtfaktor auf der Halbinsel und beherbergte zeitweise über 20.000 Menschen. 16:00 Uhr kommen wir nur leider zu spät. Tags darauf wird, wie fast überall montags, das Museumsgelände ebenfalls geschlossen sein. Der Tag Zwangspause entpuppt sich allerdings als Glücksfall. Durch Zufall finden wir einen langen Sandstrand an dem wir zwei Nächte bleiben können. Eigentlich behagt mir der Platz trotz Idylle gar nicht, da wir noch in Sichtweite der etwas entfernten Ortschaft sind. Susis Überzeugungsarbeit und das bereits hier campierende niederländische Wohnmobil stimmen mich dann doch um. Ein bisschen spiele ich noch mit Arttu um meine Nervosität vor der allgegenwärtigen Strafe von 300-600€ (wir erfuhren zwischendurch, dass 150€ veraltet ist) für wildes Camping abzubauen und dann bringt der folgende Tag ohne Polizei auch mir Entspannung. Mr. Baby hat das Rumrollen bereits perfektioniert und lernt gerade krabbeln. Rückwärts schieben klappt schon ganz gut, nur vorwärts hängt noch immer vom Zufall ab, ob es funktioniert. Dazu stemmt er sich auf alle viere und lässt sich nach vorn fallen. Sehr putzig.

Der nächste Tag beginnt wieder malerisch. Kein Wölkchen am Himmel, ein paar Fischerboote auf dem Meer und zwei ältere Griechinnen, die im Wasser watend, mit einem langen Netz erfolglos auf Fischfang gehen. Es bleibt bei angenehmen 25°C und so bauen wir für Arttu die Strandmuschel auf, in der er quietsch vergnügt ohne Windel spielen kann. Nur seine Gesichtshaut wird am Ende des Tages so trocken und zerfurcht sein wie nie. Armes Baby! Bloß ihn selbst scheint es nicht zu stören. Während drei große Wasserflugzeuge vom Flughafen Thessaloniki über unserem Meerstück die Waldbrandbekämpfung üben, lassen wir den restlichen Tag entspannt ausklingen.

Nach schöner Zwangspause am Meer stehen wir nun auf dem brütend warmen Plateau des antiken Olinthos. Beim Bestaunen der „auf dem Reißbrett geplanten“ Stadt fragen wir uns wie man das hier in der Hitze der Hauptsaison wohl aushalten soll. Arttu schläft derweil in der Trage, allerdings deutlich unentspannter als bei niedrigeren Temperaturen. Zum Lesen der englischen Erklärungstafeln kann ich kaum stehen bleiben, da wird er auch schon unruhig, weil das Wackeln fehlt. Unser Mittagessen unter einem Olivenbaum neben einer alten Zisterne nehme ich so auch im Stehen bzw. Gehen ein. Mit vier Rosmarinzweigen vom Wegesrand im Gepäck sind wir anschließend in Richtung Vólvi-See im Norden der Chalkidiki unterwegs. Da seine Wasser aber dreckig braun und vom Wind aufgewühlt sind, schlafen wir doch lieber im Wald bei Rentina, um am nächsten Morgen die benachbarte byzantinische Burganlage Redina Castle zu besuchen. Das sehr sehendwerte Areal mit prima Weitsicht auf Berge und Ebenen ist sogar eintrittsfrei.

Eigentlich wollten wir jetzt noch einmal an unseren persönlichen Traumstrand an der Ostküste der Halbinsel fahren. Auf dem Weg dorthin fällt uns jedoch ein anderes nettes Fleckchen auf. Bei näherer Erkundung lernen wir den oben erwähnten freundlichen Griechen und seine Frau kennen. Seiner Einladung zu einem Kaffee folgen wir gern, um ins Gespräch zu kommen. Als das Thema aufs Angeln fällt, bin ich quasi schon wieder eingeladen und bekomme am nächsten Tag gezeigt, wie man 20 cm im Meeresboden nach Würmern zum Fischen sucht. Ich war noch nie Brandungsangeln und bekomme auch das prompt gezeigt: das Meer sollte unruhig sein, der Wind auflandig, das Bleigewicht schwer genug und und und… In der wie vorhergesagt besten Zeit (Sonnenuntergang und die Stunde danach) bin ich dann auch direkt dreifach erfolgreich. Wir fangen hauptsächlich Meerbrassen. Die anderen Fische kenne ich nicht, soll aber bei denen mit schwarzer Farbe am ersten Rückenstrahl aufpassen, dass ich mich nicht verletze, weil die giftig sind. Logischer Weise kann ich bei der Ausbeute mit den drei Angelruten und dem Wissen meines Mentors nicht mithalten. Tags darauf brät er uns die Leckerbissen zu selbstgebranntem Ouzo, Brot, Salat und reisgefüllten griechischen Weinbergblättern. Wir freuen uns riesig. Dabei ahnen wir noch gar nicht, dass das erst der Anfang sein wird. Ach ja, die gebratenen Fischköpfe isst man bei den kleineren Fischen hier übrigens mit. Während wir noch lang sitzen wird es politischer. Für den Normalbürger Griechenlands, der die Krise logischer Weise nicht verschuldet hat, ist es im Moment wirklich schwer. Obwohl auch ich nicht für die Politik meines Landes kann, ist mir das Thema dann doch unangenehm.

Tags darauf werden wir erneut verköstigt. Dazu kann ich vorher mit zum Sammeln von Miesmuscheln kommen. Diese werden gleich danach geputzt, gekocht und in herrlicher Kombination mit echtem Feta zu einer der schmackhaftesten Suppen meines Lebens bereitet (und das obwohl ich eigentlich keine Muscheln mag XD). Dieses Rezept muss ich unbedingt haben! Um uns zu revanchieren, kündigen wir an, am kommenden Montag in die nächste Stadt zu fahren, um zum Mittag einzukaufen. Wir kaufen verschiedenes Rind-/Schweinefleisch von einem Kilo, eingelegte Oliven, eingelegte Peperoni, verschiedene Biere und Brot in den Läden der Einkaufsmeile. Unsere Gastgeber legen aber noch einen drauf, servieren wieder einen prima Feta-/Gemüsesalat mit leckeren Tomaten, in Salz eingelegte Fischchen und frischen Oktopus vom Grill. Bei dem bekomme ich gleich noch gezeigt, wie er ausgenommen und zubereitet wird. Auch diesmal sitzen wir wieder gern zusammen, um uns auszutauschen. Mr. Baby hat, im bald sechsten Lebensmonat, noch nicht mit fremdeln begonnen und wird ganz besonders ins Herz geschlossen. So angenehm sind wir bis jetzt noch in keinem Land aufgenommen worden. Vielen Dank!

Nach sechs Nächten am strahlend weißen Kiesstrand in toller Gesellschaft brechen wir schließlich auf. Zum Abschied gibt es früh morgens einen griechischen Abschiedskaffee und eine Pflanzen-/Olivenöltinktur samt Rezept für Haut-/Magenprobleme. Ein paar Stunden und 100 Kilometer sinnloser Fahrt verbringen wir nun auf der Suche nach einem Waschsalon oder einem geöffneten Campingplatz mit Waschmaschine. Alle sind noch geschlossen oder pleite. Notgedrungen fahren wir gleich bis zu den spektakulär auf Felsnadeln gebauten Meteoraklöstern im Landesinneren durch, wo wir einen wirklich guten Campingplatz finden. Dass dieser Abstecher sehr lohnenswert ist, kann ich schon mal verraten und werde es im nächsten Beitrag zeigen.

Mit etwas Pech ist dies allerdings unser vorletzter Beitrag aus Griechenland. Trotz konsequenter Sonnenvermeidung, täglichem Bad in schwarzem Tee, guter Meeresluft und mehrmaligem täglichem Eincremen wird Arttus Haut (wahrscheinlich eine Form der Neurodermitis) auch drei Wochen nach dem letzten Impftermin nicht besser. Wenn das so bleibt, wissen wir einfach nicht weiter und müssen nach Deutschland zurück fahren… 🙁

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6 Gedanken zu „Gastfreundschaft von Weltrang“

  1. Es ist schön euch bei eurem Trip zu verfolgen und durch deine tolle Beschreibung ein bißchen dabei zu sein.
    Da kommt in mir schon etwas der Neid zum Vorschein ?.
    Wir wünschen noch viel Freude und Vorallem Mr. Baby gute Besserung.
    Seit lieb gedrückt von uns 3 Bradtner’s ?

  2. Wunderschöne Reiseberichte schreibst du. Hut ab.
    ich wünsche euch alles gute für eure weitere Reise. liebe Grüße von Scholle und Anhang 😉

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