Dass kaum Lawinengefahr herrscht, kein Lüftchen weht und die Sonne in der Winterwunderlandschaft der Alpen für zwei Tage Überstunden schiebt, wird kein Geheimnis bleiben. In Gedanken sehe ich hunderte passionierte Skitourengeher vor ihren Webbrowsern jubeln, während sie Wetterbericht und Lawinenlage für das anstehende Wochenende verfolgen. Die Bedingungen sind perfekt. Um an den Hängen der Hochplatte und des Juifen trotzdem etwas Einsamkeit zu erhaschen, werden Uwe und ich am Berg schlafen.
Die Skiroute (Rückweg identisch)
Rushhour
Nach der Nacht in Achenkirch mit -13,5 °C im Auto trudeln wir am großen Startparkplatz im Ortsteil Achental ein. Dass 08:00 Uhr morgens bis auf wenige Parkplätze schon alles belegt ist, überrascht mich trotz der guten Wettervorhersage. Da hat heute in vielen bayerischen Haushalten der Wecker zeitig zur Fahrt in den Süden gebimmelt.
Im Talgrund liegen ca. 30 Zentimeter Schnee. Die kalten Temperaturen der letzten Nacht und die Schneefälle der vergangen Woche sorgen schon zu Tourbeginn für Traummotive. Noch besser wird es, als die Skiroute in den tief verschneiten Bergwald übergeht.
Zunächst knackt der Frost noch bis auf die Haut. Wie beim Wandern haben wir uns beim Loslaufen so gekleidet, dass wir leicht frieren. Mit dem ersten Sonnenkontakt ändert sich das aber allmählich. Zudem steigt nun der Nebel in wabernden Schwaden Richtung Himmel auf.
Eigentliches Tourenziel war der 1987 Meter hohe Juifen. Da wir allerdings nicht aus sportlichem Ehrgeiz übers Wochenende in die Alpen gefahren sind, sondern zum Fotografieren und Natur genießen, wird sich das ändern. Den Aufstieg gehen wir so gemächlich an, dass die kürzere Strecke zur Hochplatte besser in den Zeitplan passt. Außerdem verfehlen wir nach der Falkenmoosalm sowieso den Weg zum Juifen um wenige Meter. Der weiße Gipfel im Bild ist somit unser. Auf dem Rücken kurz davor wird das Iglu stehen.
Nach einer großen Freifläche und der anschließenden Falkenmoosalm kommt das steilste Stück der Route. Die Hänge zeigen von Ost bis Südost. Sie liegen bereits im Schatten. Trotzdem gehe ich wegen der Anstrengung zeitweise nur im kurzen Shirt. Die großen Bergkraxen lasten schwer auf unserer Kondition.
Etwas seltsam kommen wir uns mit dem vielen Gepäck zwischen den anderen leicht bepackten Tourengehern zwar vor, aber eine Wintertour mit Übernachtung in der Natur hat leider nichts mit Ultraleichttrekking gemein. Wie immer im Winter musste auch der leichte, saubere Gaskocher daheim bleiben. Der Benzinkocher läuft in der Kälte einfach problemloser. Zweimal am Tag braucht es etwa eine Stunde um das nötige Trinkwasser zu schmelzen.
Am Berg kehrt Ruhe ein
Gegen 15:00 Uhr legt sich langsam der Trubel am Berg. In 20 Minuten Gehentfernung zum Gipfel wollen wir die Nacht verbringen. Für Uwe ist es die erste Winterübernachtung in der Natur der Alpen. Da er die kalte Nacht im Auto aber bereits super wegegesteckt hat, mache ich mir keine Sorgen. Im Iglu wird es wärmer, um genau zu sein -3°C. Kritischer ist das Baumaterial. In einer Wehe liegt die weiße Pracht zwar knapp 100 Zentimeter hoch, aber wegen der Schwachschichten darin zerbrechen viele der ausgesägten Steine. Mit der Lawinenschaufel lassen sich zwar auch passable Schneesteine herstellen, aber mit einer Schneesäge (wer sie selbst baut spart mind. 20 €) geht die Arbeit schneller und die Steine werden größer. Nach der ein oder anderen Verwünschung gegenüber den geborstenen Schneeziegeln können wir mit vier Stunden Bauzeit in unser Heim einziehen. Da es bereits seit einer Stunde dunkel ist, nehme ich mir noch ausgiebig Zeit zum Fotografieren. In der Zwischenzeit schmilzt Uwe aus Abertausenden Eiskristallen den Tee fürs morgige Frühstück. Um diese Ruhe und Einsamkeit zu erleben war die Anstrengung mit den großen Rucksäcken nicht umsonst. Natürlich denkt man vorher im Moment der Anstrengung oft anders darüber :p
Weil es in der Wildnis meist keinen Sinn macht, bis lang in die Dunkelheit hinein wach zu bleiben, schlafen wir zeitig und sind umso eher wieder auf den Beinen. Als Klärchen dann das erste Mal für heute hinter den Bergen hervorschaut, sind wir -so hoch oben- wahrscheinlich die Ersten rund um den Achensee, die ihre wärmenden Strahlen abbekommen.
Noch haben wir die weite Landschaft für uns allein. Das flach einfallende Licht hebt Hunderte Spuren vorangegangener Tourengeher jedoch eindrucksvoll hervor und lässt erahnen, welcher Ansturm den Alpen auch an diesem Sonntag bevorsteht.
Zum Gipfelfrühstück auf der Hochplatte
Die warmen Strahlen der Sonne haben in den vergangenen Tagen leider den Schnee von den Ästen der Tannen rutschen lassen. Der Anblick ringsherum wird dennoch mit jedem Schritt am Gipfelhang besser.
Uwes Rucksack wiegt 17 Kilogramm, meiner 21. Weil beide im Iglu liegen, fühlte sich der Gipfelsturm ein bisschen wie Fliegen an. Ganz ohne Hast sind wir heut die Ersten am Gipfelkreuz. Die Oberschenkel fühlen sich vom Vortag trotzdem ganz schön flau an.
Nach diesem Erinnerungsbild genießen wir Knacker, Brot, Parmesan und Schokolade zum Frühstück. Durch den Energieaufwand der letzten anderhalb Tage gieren unsere Körper regelrecht nach Fett und Zucker. Alles schmeckt besser als gewohnt.
Während wir schmatzend den Ausblick genießen, knirschen die Ski des dritten Besuchers der Hochplatte heran. Ein freundlicher Tiroler Rentner begrüßt uns. Dass er den Aufstieg in kaum mehr als zwei Stunden geschafft hat beeindruckt mich bereits. Solch eine Tour aber an fast jedem Tag als Morgensport durchzuziehen, verdient unseren tiefen Respekt. Was für ein toller Ruhestand!
Wie immer, wenn eine Tour zu gut läuft, gibt’s einen Dämpfer. Beim Zusammenpacken kurz vor dem Abstieg ins Tal greift sich der Wind die teure Therm-a-Rest Isomatte. Nach wenigen Sekunden ist das Leichtgewicht aus dem Sichtfeld verschwunden und für immer verschollen. Bei der Abfahrt halten wir zwar die Augen offen, aber werden nicht fündig. Vermutlich hat nun einer der aufsteigenden Skifahrer seinen persönlichen Glückstag.
Sonnenscheinabfahrt
Ab ca. 09:30 Uhr reihen sich Skibegeisterte bereits wie ein Tausendfüßler hintereinander. Deshalb sind wir auch nicht traurig, dass jetzt die Abfahrt bevorsteht.
Damit Uwes vorbelastetes Knie keinen Sturz mit Rucksack wegstecken muss, erkläre ich mich gern bereit, die steilsten Stücke heut zweimal abzufahren. Ich freue mich über das Extraskivergnügen und mein Mitstreiter ist indes auch nicht betrübt, ein Bier auf der Falkenmoosalm trinken zu können. Wenn nur zwei Arbeitstage genauso schnell vergehen würden wie dieses Wochenende.
Beim Starten prustet mein alter Diesel wegen der Kälte ein bisschen, lässt uns aber wie gewohnt nicht im Stich. In Achenkrich gibt Uwe fix seine geliehenen Tourenski zurück und nach drei Stunden Wochenendstau können wir uns als Tourabschluss in den Heilquellen der Therme Erding rekeln.
War ein super Erlebnis für mich 👌 die Anstrengungen und kleinen Stürze bei der Abfahrt sind schon vergessen. 😎
Mal sehen was uns als nächstes Event einfällt.
Ich fand es auch mega! Sag Bescheid wenn die nächste abgefahrene Idee ins Haus steht 🙂
Super Eindrücke von eurem Winterbiwak. Hätte auch gerne mal Zeit für so eine schöne Tour. Kleiner Tipp für den nächsten Abenteuerkurzurlaub:
Karpatenwanderung oder Donaudelta in Rumänien
Ohh, sehr gern. Kennst du etwa jemanden der da schonmal war und Lust hätte Guide zu sein? :p
Tolle Seite, tolle Touren, tolle Ideen. Macht weiter so, denn nicht Euer Kind setzt Euch die Grenzen, sondern unsere Gesellschaft versucht es immer und immer wieder. Haltet dagegen 😉
Danke für den Rückenwind! Wir freuen uns immer Gleichgesinnte anzutreffen 🙂